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Historische Stadtbibliothek – Bewegte Zeiten für ein Juwel

Bucherscheinung + Zukunftskonzept + Sanierungsvorhaben = eine Rundschau

Sie ist ein Kleinod in der bayerischen Bibliothekslandschaft und als Denkmal von nationaler Bedeutung eingestuft: Die historische Bibliothek im Klosterchor-Gebäude der ehemaligen Reichsstadt Windsheim. Im Jahr 2023 gab es ein besonderes Jubiläum, denn sie wurde 1623, also vor 400 Jahren, im historischen Klosterchor eingeweiht. Nachdem Bürgermeister Jürgen Heckel dazu unter anderem eine Marketing-Aktion mit vorfrankierten Briefumschlägen, eine Versteigerung von gestifteten Gemälden sowie ein StadtKultur-Konzert mit dem Kurorchester umgesetzt hatte, gibt es nun zum Abschluss des Jubiläumsjahres einen Bildband mit Texten über die Stadtbibliothek, herausgegebenen vom Förderverein Klosterchor & Historische Stadtbibliothek Bad Windsheim.

 

Bauantrag für Klosterchor-Sanierung gestellt

Stadt und Förderverein wünschen sich eine Sanierung des kulturell bedeutsamen Klosterchor-Gebäudes bis zur Landesgartenschau im Jahr 2027. Dieses Ziel haben sich die Verantwortlichen nach umfangreicher Planung mit Abgabe des Bauantrags im Januar gesetzt. Die Buchbestände der historischen Stadtbibliothek wurden bereits zur Restauration ausgelagert und werden bis dahin zurückgekehrt sein. So sehen es die Vorgaben der Förderstellen aktuell vor.

Die Freude über den nächsten großen geschafften Schritt in Form des gestellten Bauantrags ist groß. Erster Bürgermeister Heckel lobte in diesem Zuge die Arbeit von Stadtarchivarin Stelle Bartels-Wu, Hochbauamtsleiterin Jennifer Münch, Architekt Hermann Keim und Sabine Detsch, Vorsitzende des „Fördervereins Klosterchor und historische Stadtbibliothek“. Sie alle hätten das Mammutprojekt mit vollem Elan und Engagement vorangetrieben, mit allen Unwägbarkeiten und Herausforderungen, die der bauliche Zustand des denkmalgeschützten Gebäudes mitbringt.

 

 

Mit einem starken Förderverein an der Seite

Der Verein um Stadträtin und Vorsitzende Sabine Detsch engagiert sich bereits seit elf Jahren für die Belebung des Chorraumes im Erdgeschoss, u.a. mit Konzerten, Theater und Ausstellungen, und natürlich für den Erhalt der Historischen Stadtbibliothek im Obergeschoss.

Damit Fördergelder fließen können, musste ein Nutzungskonzept für den Chorraum im Erdgeschoss und den Klostergarten erarbeitet werden. Der Chorraum soll also künftig für Vorträge, Lesungen, Kleinkunst, Trauungen und Empfänge dienen, und der Klostergarten könnte in der warmen Jahreshälfte ebenfalls einen wichtigen Part als Bühne übernehmen. Das angrenzende Apothekergärtchen bietet Platz zum Verweilen im Grünen, ggf. gespickt mit kreativen Freilicht-Kunstwerken oder anderem.

 

Bildband mit Texten von Michael Schlosser erschienen

Das Kapitel „Zukunftsmusik“ im neuen Bildband des Fördervereins zeigt in kurzer und prägnanter Weise auf, wie die Entwicklung des Klosterchor-Quartiers aussehen könnte.

Für Sabine Detsch, Vorsitzende des Fördervereins Klosterchor & Historische Stadtbibliothek, und dessen Schriftführerin Christa Schlosser ist mit dem Erscheinen des Buches ein lang ersehnter und bedeutender Schritt getan. Mit dem Verkauf sollen möglichst viele Spenden eingenommen werden, um die Sanierung des Klosterchor-Gebäudes umsetzen zu können. Damit ein möglichst großer Erlös in die Sanierung fließen kann, hat man sich bewusst gegen einen Verlag entschieden.

Die knappen und leicht verständlich geschriebenen Texte stammen aus der Hand des 2020 verstorbenen Stadtarchivars Michael Schlosser. Der Bibliothekar hatte fast vier Jahrzehnte hinter den historischen Mauern gewirkt und sich unermüdlich für den Erhalt der Stadtbibliothek eingesetzt.

Die Aufnahmen der Buchbestände hat der Neustädter Fotograf Andreas Riedel vor Auslagerung der Bücher finanziert durch den Förderverein im Januar 2023 gemacht.

Das Buch mit dem Titel „Stadtbibliothek im Klosterchor Bad Windsheim“ gibt es zum Preis von 25 Euro bei der Buchhandlung Dorn in der Kegetstraße und in den Schmotzer-Hallen, sowie beim herausgebenden Verein.

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Sanierung solide durchdacht und vorbereitet

Nachdem die Sanierung vorgeplant und Grundlagen hierzu ermittelt wurden, ging es für den beauftragten Architekten Hermann Keim weiter mit der sogenannten Entwurfs- und Genehmigungsplanung für den Bauantrag, welche eine konkretere Kostenschätzung ermöglicht. Bürgermeister Jürgen Heckel zeigt sich zuversichtlich, dass dieses millionenschwere Projekt zeitnah, geplant bis zur Landesgartenschau 2027, umgesetzt werden kann. Die To-do-Liste ist lang.

„Wir sind absolut verpflichtet, diesen kulturellen Schatz für die nächsten Generationen aufzuarbeiten“, so der Rathauschef.  „Das ist das große Ziel. Das ist sportlich, wie alles in Bad Windsheim“, betont er mit Blick auf die Landesgartenschau und die Zukunft des Denkmals von nationaler Bedeutung in der historischen Altstadt. „Das müssen wir schaffen.“ Unvorhergesehenes könne jedoch immer auftreten, darauf hätte man vorab keinen Einfluss.

 

Gebäude-Sanierungen als verwobene Mammut-Projekte

Baulich verknüpft ist das Klosterchor-Gebäude mit dem, von der Stadt erworbenen und bisher für Vereine nutzbar gemachten Nachbaranwesen Husarengasse 1, dem „Haus der Begegnung“. Langfristig könnte dieses Gebäude gemäß Nutzungskonzept als Stuhllager, für Sanitärräume, oder auch als Kulturbüro genutzt werden. Kurzfristig müssen jedoch Teile des Gebäudes aus statischen Gründen abgerissen werden, da Fachfirmen sonst nicht an das Klosterchor-Gebäude herankommen. Später folgt der Wiederaufbau.

Was zum jetzigen Zeitpunkt sehr teuer erscheint, sichert jedoch die Standfestigkeit für kommende Jahrhunderte, so die Einschätzung des beauftragten Ingenieurs. Gips im Untergrund sorgt dafür, dass die Bodenplatte abgesenkt und auf Mikropfähle gestellt werden muss. Säulen im Innern müssen zudem mit Stahlseilen verstrebt werden.

Das Gesamtprojekt ist aktuell mit 5,2 Millionen Euro angesetzt. Für das Kloster gibt es rund 1,25 Millionen Euro vom Bund, etwa nochmal so viel könnte vom Landesamt für Denkmalpflege aus dem Entschädigungsfonds Denkmalpflege kommen. Für den Klostergarten und das H1 wurden Mittel der Städtebauförderung bewilligt. 

Weitere Fördergeldgeber und Stifter sind willkommen, um das Projekt finanzieren zu können.

Zuletzt konnten im September 2024 noch weitere Fördermittel in Höhe von rund 1,4 Millionen Euro für die Gebäude-Sanierung vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst zugesagt werden.

 

Bücher gehen während der Sanierung zur „Kur“

Rund 5.200 Bände mussten ausgelagert werden, damit im Bibliotheksraum die notwendigen Sanierungsarbeiten ausgeführt werden können.

Zuletzt wurde eine solche Auslagerung 1740/41 vorgenommen, als man das Gewölbe in der Bibliothek zum Brandschutz einzog. Heuer wurden die Bücher zu einer, auf Buchrestaurierungen spezialisierten Fachfirma nach Leipzig gebracht. Luftpolsterfolie schützte sie unterwegs vor Stößen und besonders wertvolle Objekte wurden zudem einzeln in Seidenpapier verpackt.

Anstelle der Bücher in den Regalen wurden Pflastersteine auf Holzbrettern auf dem Boden im ersten Obergeschoss ausgelegt, damit die Gebäudestatik im Gleichgewicht bleibt. Denn ganze acht Tonnen wiegen die Bücher etwa. Stadtarchivarin Stella Bartels-Wu hat dafür jedes Buch gewogen.

Transport, Bauaufzug und Gerüstturm wurden großzügig mit 30 Prozent der Kosten durch den Kulturfonds Bayern gefördert, der auch Experten zur fachlichen Beratung bei der klimatechnischen Ertüchtigung des Bibliotheksraums finanziert.

 

Ein besseres Raumklima schaffen

Denn der Raum soll auch klimatechnisch verbessert werden, sodass die Bücher nach ihrer Rückführung künftig besser verwahrt sind. Es ist zu erwarten, dass in kommenden Jahren nicht nur kalte, feuchte Winter, sondern auch zu heiße, trockene Sommer dem Buchbestand in der historischen Gebäudehülle zu schaffen machen wird und dies ausgeglichen werden muss.

Doch der Kulturfonds greift noch tiefer in die Tasche: Auch die antiken Regale und das schöne Mobiliar, das so viel zum Gesamteindruck der Bibliothek beiträgt, muss restauriert werden. Die Last der Bücher hat so manches Regal regelrecht in die Knie gezwungen: man sieht es am springenden Furnier und sich durchbiegenden Brettern. Zudem hat der Zahn der Zeit an dem kunstvoll gedrechselten Regalschmuck genagt und ein Restaurator muss ran.

Insgesamt wird der Kulturfonds Bayern die Stadt mit 85.000 Euro finanziell unterstützen. Dem gegenüber stehen Gesamtkosten in Höhe von 286.000 Euro. Angedacht ist zudem eine Besucherstation für Behinderte, um auch Ihnen den digitalen Zugang zu ausgewählten Büchern zu ermöglichen.

 

Film über den "Auszug" der Bücher

Dokumentiert wurde die Auslagerung filmisch im Auftrag der „Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) mit Sitz in Berlin.

Unter dem Projekt-Titel „Von der Liberey zum digitalen Ort. Reinigung, Restaurierung und Digitalisierungsvorbereitung des gesamten Bibliotheksbestandes“ fördert die KEK den Bestandserhalt über ein Sonderprogramm der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Dafür sind Gelder in Höhe von über 30.000 Euro bereitgestellt worden.

Beim gesamten Buchbestand werden in diesem Zuge die Buchspiegel und – schnitte gereinigt. Für 300 besonders beschädigte Bücher mit eingesunkenem Buchblock oder stark verzogenen Einbänden werden passgenaue Schutzbehältnisse angefertigt. Bei weiteren 150 Büchern werden stark korrodierte Beschläge und Schließen aus Metall behandelt und solche, die sich gelockert haben, werden befestigt. Außerdem wird ein sogenannter Schadenskataster erstellt als Grundlage für künftige Restaurierungsprojekte. Auch hier beteiligt sich der Kulturfonds Bayern.

Und noch ein letztes wird in Leipzig geleistet: Für jedes Buch wird der Öffnungswinkel geprüft, damit es später gegebenenfalls optimal digitalisiert und virtuell zugänglich gemacht werden kann.

 

Ein Blick zurück und in die Zukunft des historischen Juwels

Und damit schließt sich der Kreis. Denn die Gründungsintention des Rates der Stadt im Jahr 1559 war, dass seine Bibliothek allen Bürgern, die „zum studiren vnnd freien kunsten lust“ hatten, offenstehen sollte. Vor 400 Jahren, 1623 also, feierte man dann den Einzug der Bücher in das Obergeschoss des Klosterchorgebäudes, aufgestellt in maßgefertigten Regalen, geordnet nach Wissensgebieten, wie wir sie heute kennen.

Das wertvolle Bibliotheksgut umfasst heute noch die Bestände des Windsheimer Augustiner-Eremiten-Kloster, das 1525 im Zuge von Reformation und Bauernkrieg aufgelöst wurde. Darunter waren auch die wertvollen Handschriften- und Inkunabel-Sammlungen des aufgelassenen Klosters. Dazu kaufte die Stadt 1559/60 in Frankfurt einen Bibliotheksgrundstock und brachte ihn zunächst in Pultaufstellung im ehemaligen Kloster unter.

Da das Bauwerk aber baufällig war, entschloss man sich zur Aus- und Umlagerung und begann mit der Umgestaltung des Klosterchores zu einem Bibliotheksneubau, der 1617 vollendet wurde.

Auf ihn können die Windsheimer zurecht stolz sein, denn heute ist dieser Bau der wohl älteste erhaltene und unverändert so genutzte Bibliothekszweckbau im Freistaat Bayern.

2021 wurde er als Denkmal von nationaler Bedeutung eingestuft, nicht zuletzt aufgrund des bis ins 18. Jahrhundert erweiterten Buchbestandes, der das Geistesleben der Reichsstadt und auch das des 1291 gegründeten Klosters widerspiegelt.

1802/03 endete die Reichsstadtzeit und die Stadt Windsheim kämpfte dafür, unterstützt durch Bibliothekar Johann Georg Nehr (1765 – 1854), dass die Bibliothek nicht aufgelöst und auf andere Bibliotheken verteilt wurde.

Und den Nutzen davon sollen - so wie in alter Zeit - wieder alle haben. Denn das, von Stadtarchivarin Stella Bartels-Wu entworfene Nutzungskonzept für die Bibliothek sieht vor, dass Führungen vor Ort ermöglicht werden sollen, bei denen Interessenten die wunderschönen Bibliotheksräume kennen lernen können und in ausgewählten Büchern digital blättern können. Für Forschende sollen ebenfalls Digitalisate – z. B. von Handschriften – bereitgestellt werden. So werden die Bücher geschont und der Zugang erleichtert.

 

Von virtuell bis real – ein Blick hinter die Kulissen

Bis die Schätze der Historischen Stadtbibliothek – zukunftssicher gemacht wie ihr Zuhause – nach Bad Windsheim zurückkehren können, wird wohl einige Zeit vergehen. Doch mit dem Bildband des Fördervereins werden sie uns allen im Gedächtnis bleiben.

Einen virtuellen Blick hinter die Mauern des Klosterchors kann man derzeit weiterhin tun: Es gibt einen Schüler-Projektfilm des Georg-Wilhelm-Steller-Gymnasiums, abrufbar über das Videoportal Youtube unter dem Titel „Maria Barbara von Reitzenstein auf Spurensuche im historischen Klosterchor Bad Windsheim“. Der Film bietet einen reizvollen Einblick in die historische Stadtbibliothek, wie sie zuletzt aussah.

Wenn die Sanierung dann vollendet ist, wird das Juwel hoffentlich neu erstrahlen. 

Die Dokumentation der KEK wird Anfang 2024 fertiggestellt und voraussichtlich über den Internet-Auftritt der Historischen Stadtbibliothek (Stadt Bad Windsheim) verlinkt werden können.

 

(Stand: September 2024)